Ein einzelner Mensch

Das Johannesevangelium  •  Sermon  •  Submitted
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Einleitung

Nachdem Thomas letzte Woche über Joh 4 gepredigt hat, möchte ich heute die Chance beim Schopfe packen und mit euch das nächste Kapitel anschauen.
Jesus war ja auf dem Weg von Jerusalem nach Galilea und musste dazu durch Samarien reisen - so steht es in Joh 4 geschrieben. Dort in Galilea heilte er den Sohn eines königlichen Beamten und verbrachte einige Wochen dort, wo er Wasser in Wein verwandelt hatte. Wie lange er genau dort war, lässt sich wohl nicht genau bestimmen. Aber es gab einen konkreten Anlass, warum er Galilea wieder verlassen hat.
Und hier steigen wir in den biblischen Text ein. Lasst uns gemeinsam lesen: Joh 5, 1-18

Exegese

V1

Johannes schreibt, dass ein Fest der Juden stattgefunden hat. Er beschreibt nicht näher, welches Fest dies war. Aber man darf getrost davon ausgehen, dass dieses hohe Fest viele Juden nach Jerusalem gezogen hat. Die Stadt, welche für gewöhnlich schon gut mit Menschen gefüllt war, war nun gestopft, wie man so schön sagt. In manchen Gassen dürfte es so zugegangen sein, als wenn wir als Gemeinde Potluck in der Garderobe bei uns veranstalten. Menschen über Menschen. Kein Vor und kein Zurück.

V2

Johannes lenkt nun unseren Blick auf einen speziellen Ort in Jerusalem: den Teich Betesda. Ich weiß nicht, was ihr euch unter dem Teich vorstellt. Wenn ich das Wort Teich höre, dann denke ich an den kleinen Tümpel, den einer unserer Nachbarn hat. Aber weit gefehlt. Hinter dem Teich Betesda kann sich so manches Freibad in der Gegend hier verstecken. Der Teich hat sich in zwei Teile untergliedert: Das nörliche Becken und das südliche Becken. Allein das südliche Becken hat eine Dimension von 60 x 50 m. 5 riesige Säulenhallen haben die beiden Becken umgeben.
Der Name Betesda bedeutet auch “Haus der Barmherzigkeit” - der an diesem Tage noch besondere Bedeutung erlangen sollte.

V3

Johannes beschreibt nun die Situation an dem Teich. Es lagen dort viele Kranke, Lahme, Blinde, Verkrüppelte. Diese Säulenhallen waren eigentlich ein großes Lazarett. Nur dass es dort keinen Arzt gibt. Und es gab auch keine Krankenschwestern, die sich um die Kranken gekümmert hätten. Frage: Wie würde ein Krankenhaus nach einer Woche aussehen, wenn das gesamte medizinische Personal abziehen würde? Die Menschen würden verwahrlosen, es wäre dreckig. Es würde anfangen zu stinken. Manche Patienten schaffen es ja nicht einmal allein bis aufs WC. Und an diesen Ort geht Jesus am Sabbatnachmittag. Ist das nach unserer Vorstellung der Platz, wo wir gern am Sabbatnachmittag entlang bummeln? Eher nicht. Und hier können wir wohl auch noch etwas von Jesus lernen.

V5

Johannes zoomt nun noch weiter in das Geschehen hinein und bleibt bei einem einzelnen Menschen haften. In V1 hatten wir noch die gesamte Stadt Jerusalem im Blick, dann hat Johannes in die Stadt auf den Teich Betesda weiter hineingezoomt und jetzt liegt unser Fokus auf einem einzelnen Menschen, dessen Namen nicht näher genannt wird. Es wird nur gesagt, dass er seit 38 Jahren dort liegt und krank ist.
38 Jahre. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Die DDR bestand 40 Jahre. Wenn ich mit meinem Schulanfang lahm geworden wäre, würde ich bis heute dort liegen. Viele Menschen arbeiten heute 40 Jahre bevor sie in den Ruhestand gehen. Man weiß nicht, wie alt der Mann war. Aber er dürfte den Großteil seines Arbeitsleben dort am Teich von Betesda zugebracht haben. Er hat die Menschen kommen und gehen sehen. Kannte nichts anderes als diese Säulenhallen. Und hat womöglich nicht im Traum daran gedacht, noch einmal die Welt auf eigenen Füßen erkunden zu können.

V6

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