Matth. 5,21-26 vom Töten

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Schuld beim Bruder begleichen und Vergebung sind die Grundlagen der Nachfolge

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Predigt
Wir haben vielleicht noch die Worte im Ohr vom letzten Sonntag:
17 Meint nicht, dass ich gekommen sei,
das Gesetz oder die Propheten aufzulösen;
ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen.
18 Denn wahrlich, ich sage euch:
Bis der Himmel und die Erde vergehen,
soll auch nicht [ein] Jota oder [ein] Strichlein
von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.
19 Wer nun eins dieser geringsten Gebote auflöst
und so die Menschen lehrt,
wird der Geringste heißen im Himmelreich;
wer sie aber tut und lehrt,
dieser wird groß heißen im Himmelreich.
20 Denn ich sage euch: Wenn nicht eure Gerechtigkeit
die der Schriftgelehrten und Pharisäer weit übertrifft,
so werdet ihr auf keinen Fall in das Himmelreich hineinkommen.
Diese Worte Jesu müssen in jedem Zuhörer
die Illusion zerstören, Glaube und Nachfolge erschöpften sich in einer Art Ewigen-Lebensversicherung und der Bitte, ein anständiges Leben zu führen,
die Illusion, dass Nachfolge nichts mit verbindlichen Vorgaben zu tun hat,
die Illusion, dass die Bibel ein Steinbruch für Lebensideen sei, voll von unbrauchbarem Gestein, voll von Aussagen, die heute nicht mehr gelten würden.
Jesus hat damit klar und deutlich festgestellt, dass die ganze Bibel auch für Christen weiterhin Gültigkeit hat, und dass Glaube eben auch bedeutet, an die ewige Wahrheit jeder biblischen Aussage zu glauben, darauf zu bauen, davon auszugehen – nicht nur auf die angenehmen Stellen nach dem Motto: Gott liebt dich. Jetzt mach einfach weiter wie bisher. Die Bibel ist und bleibt Gottes Wort, das so lange gültig und wahr ist, wie diese Welt besteht, also mindestens bis .
In den nun folgenden Beispielen geht Jesus aber noch darüber hinaus. Er sagt:
Es reicht nicht, wenn ihr die Gebote Gottes nur äußerlich haltet.
Es reicht nicht, wenn ihr die Gebote nur auf den Leib des Menschen bezieht.
Ihr kennt die Gebote und die Auslegung der Ältesten. Aber ich sage euch, wie ihr die Gebote wirklich verstehen müsst, um sie einzuhalten:
21 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: »Du sollst nicht töten«;
wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein.
22 Ich aber sage euch:
Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig;
wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz!,
der ist des Hohen Rats schuldig;
wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig.
Das Gebot „Du sollst nicht töten“ ist zweifellos eines der wesentlichen Gebote des christlich-jüdischen Kulturkreises. Während der Islam das Töten von aufsässigen Nichtmuslimen sogar anordnet, sind sich Christentum und Judentum darin einig, dass es für einen Menschen nicht erlaubt ist, einen anderen Menschen zu ermorden. Es gibt beim „Nicht Töten“ eine Einschränkung: Töten ist erlaubt, wenn es ein Soldat oder Polizist in Ausübung seines Amtes tut, wenn er zur Verteidigung des Staatswesens handelt. Deshalb heißt es eben zweitens auch im Urtext nicht „töten“, sondern „morden“, denn der Mord ist das Töten auf Eigeninitiative, um persönliche Ziele durchzusetzen, der Mord aus persönlicher Feindschaft. Der Zusatz: „wer tötet, soll des Gerichts schuldig sein“ wird aus gefolgert.
Es gibt drei Arten von Gerichten im jüdischen Rechtswesen zur Zeit Jesu:
Die erste war eine Einrichtung, die sich aus den sieben Gemeindeältesten der jüdischen Gemeinde bildete. Drei Richter saßen an den Markttagen im Tor, jeder Jude konnte mit seinem Prozessgegner dorthin kommen und über den Streitpunkt von den drei Richtern entscheiden lassen. Dabei ging es überwiegend um Vermögensstreitigkeiten.
Bei Schwerverbrechen wie z.B. Mord gab es ein Gericht, das nur in Städten stattfinden konnte, in dem es mindestens 120 männliche Juden gab, das Gericht der 23. Dieses Gericht, das „kleine Synhedrium“, konnte auch die Todesstrafe verhängen.
Das dritte Gericht war das „große Synhedrium“ in Jerusalem, bestehend aus 71 Personen. Dieses Gericht war für Fragen von nationalem Interesse zuständig: Wenn ein Stamm zum Götzendienst abgefallen war, bei falschen Propheten und bei einem freiwillig übernommenen Krieg.
Das kleine Synhedrium ist also für den Mord zuständig. Von diesem Gericht redet also Vers 21.
Jesus verschärft nun die Vorschriften erheblich. Schon jemand, der seinem Bruder zürnt, verfällt dem kleinen Synhedrium, also sozusagen dem Landgericht. Wir wissen, dass die Bibel den Zorn nicht verbietet; auch Gott ist zornig, nämlich über die Sünde. Hier geht es aber um den Zorn gegen den Bruder, den Mitchristen also, „für den doch Christus gestorben ist“. Es handelt sich nicht um den deutlich geäußerten Zorn, sondern lediglich um den im Herzen gehegten Zorn. Auch einen Zorn gegen den Bruder verurteilt die Bibel nicht in Bausch und Bogen, aber „lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“. Wenn ich zornig auf einen Bruder bin, dann muss ich die Sache klären bis Sonnenuntergang, sonst werde ich dieser Tat schuldig, die Jesus hier anführt. Es geht also nicht um den Zorn, sondern um den anhaltenden Zorn, die Verbitterung, die ich im Herzen konserviere weil ich nicht bereit bin, diesen Zorn fahren zu lassen, ihn aufzugeben. Wer zornig ist auf seinen Bruder, ist nicht automatisch auch schuldig. Wer diesen Zorn aber hegt und pflegt und im Herzen konserviert, der begeht ein Kapitalverbrechen, also ein schweres Verbrechen gegen seinen Bruder und gehört vor das höchste Landgericht. Genauso wie jemand, der tötet. Wer am nächsten Tag noch zornig auf seinen Bruder ist und nichts dagegen unternimmt, ist nicht besser als ein Mörder.
Aber es geht noch weiter. Nun greift Jesus zwei Äußerungen auf, die im Zorn gegen den Bruder vorgebracht werden. „Narr“, „Depp“, das ist eine Beleidigung, die besagt, dass es dem Beschuldigten an Verstand fehlt. Es ist ein Zeichen der Überheblichkeit und Verachtung einerseits, das andererseits dem Bruder jegliche Fähigkeit zum richtigen Denken abspricht. Vor allem bei verschiedenen Auslegungen einer Sache vor dem Hintergrund der Bibel wird das wichtig. Wenn mein Bruder eine andere Ansicht hat über die Taufe zum Beispiel. Aber auch, wenn es darum geht, welche Gebote am Wichtigsten sind und welche unwichtig sind. Sozusagen wenn es in eigentlich untergeordneten Dingen um die Rechtgläubigkeit geht. Wer so gegen seinen Bruder handelt, der steht auf der gleichen Stufe wie ein falscher Prophet, und sein Fall müsste eigentlich vor dem hohen Rat in Jerusalem behandelt werden.
Die zweite Beleidigung, also das dritte Beispiel Jesu, bezeichnet den Bruder als gottlos, als einer, der denen gleich ist, die „im Herzen sagen: Es gibt keinen Gott“. Dem Bruder wird der Glaube abgesprochen, er wird als Ketzer, als Gotteslästerer bezeichnet. Wer so etwas sagt, fällt über den anderen das Urteil, das nur Gott vorbehalten ist. Für eine solche Beleidigung gibt es eigentlich kein Gericht mehr auf dieser Welt, es muss eigentlich vor dem himmlischen Gericht verhandelt werden, und da steht das Urteil schon fest: Das höllische Feuer. Die katholische Kirche liest aus diesem Vers das Fegefeuer heraus, in das Christen, die noch Schuld an sich haben, so lange sein werden, bis sie die Schuld abgebüßt haben. Das ist jedoch Unsinn, da beim Christen die Schuld ausnahmslos von Christus vergeben wird, nicht durch eigene Leiden und Leistungen. Die Konsequenz ist vielmehr eine viel gravierendere: Wer bei dieser Meinung bleibt, kann sein Heil verlieren. Wer gegen diese Ansicht nicht angeht, wer sich von diesem Denken oder gar Handeln nicht distanziert, wer so seinen Bruder beleidigt, der hat keinen Anteil am ewigen Heil. Johannes mahnt uns dazu auch in seinem ersten Brief, wenn er unter anderem schreibt: Wer nicht liebt, der bleibt im Tod. Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Menschenmörder, und ihr wisst, dass kein Menschenmörder ewiges Leben bleibend in sich hat.
Jesus geht nun weiter in seinen Ausführungen:
23 Darum: wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst
und dort kommt dir in den Sinn,
dass dein Bruder etwas gegen dich hat,
24 so lass dort vor dem Altar deine Gabe
und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder,
und dann komm und opfere deine Gabe.
Es ist für jeden Juden klar: Wenn ich ein Opfer bringe aufgrund einer Schuld, die ich einem Bruder gegenüber habe, aber die Schuld noch nicht bereinigt habe durch Bezahlung der Schadenssumme plus 20 Prozent, dann ist mein Opfer ungültig. Doch ein solcher Ausgleich kann sich nicht auf materielle Güter beziehen, wie wir vom vorherigen Text erahnen können, sondern bezieht sich auf das ganze Verhältnis zu unserem Bruder, das nur von Liebe bestimmt werden darf und sonst von nichts anderem. Wenn mir also vor dem Altar einfällt, dass mein Bruder etwas gegen mich hat, dann muss ich handeln.
Ich bin jedem Menschen etwas schuldig, wenn ich zu Jesus gehöre. Das ist die Liebe Christi, die in unsere Herzen ausgegossen wird. Das gilt in weit höherem Maße für meine Brüder und Schwestern in Christus. Das Gegenteil von Schuld im biblischen Sinn ist Friede. Friede im biblischen Sinne liegt dann vor, wenn jeder das hat, was ihm von Gott her zusteht, was er für sein Leben mit Gott auf dieser Welt braucht. Nicht alles, was er will. Sondern alles, was er für seinen Glaubensweg braucht. Wenn ich zulasse, dass meinem Bruder etwas Lebenswichtiges fehlt, von dem ich mehr habe, als ich brauche, dann herrscht Unfriede zwischen mir und ihm, dann stehe ich in seiner Schuld, und ich muss dafür sorgen, dass wieder Friede entsteht, und er ist verpflichtet, mich nicht zu hassen, auch wenn ich nichts tue, sondern mir zu vergeben.
In unserer Stelle geht es allerdings – im Gegensatz zu anderen Stellen im Neuen Testament – nicht darum, ob ich etwas gegen meinen Bruder habe. Hier geht es im Gegenteil darum, wenn mir bewusst wird, dass mein Bruder etwas gegen mich hat. Wenn ich in seiner Schuld stehe. Es steht auch nicht da: wenn er berechtigterweise etwas gegen mich hat. Hier steht nur: wenn er etwas gegen mich hat. Es heißt nicht: Wenn ich ihn verletzt habe. Sondern: Wenn er sich verletzt fühlt. Nicht meine Sicht der Realität ist maßgeblich, sondern seine Sicht der Realität. Und es geht auch nicht darum, dass er meine Sicht der Realität akzeptiert, sondern es geht darum, die Verletzung, die an ihm durch mich entstanden ist, möglichst aus der Welt zu räumen, so dass er seinen Frieden findet mit der Sache. Eigentlich ist er dann zur Vergebung verpflichtet. Aber nur wenn er nicht vergibt, weil er nicht will, aus Trotz, liegt der Ball dann bei ihm. Im Fall von Uneinigkeit müssen dann aber auf jeden Fall zwei oder drei Älteste dazu gezogen werden – wie beim Gericht im Tor, das ich vorhin genannt habe. Wenn es klare Schuld auf meiner Seite gibt – angefangen bei geschuldetem Geld oder geliehenen oder beschädigten Sachen – dann ist es selbstverständlich meine Pflicht, dies in Ordnung zu bringen, und eher soll ich mich dann übervorteilen lassen, bevor ich riskiere, die Sache am Laufen zu halten und keine Versöhnung herbeizuführen. Dann wird hier meine Vergebungsbereitschaft gefragt, die sich lieber ein Unrecht antun lässt, als mit dem Bruder unversöhnt und im Streit zu leben. Oder mit ihm vor Gericht gehen zu müssen. Und das ist der dritte Teil unseres Predigttextes.
25 Vertrage dich mit deinem Gegner sogleich,
solange du noch mit ihm auf dem Weg bist,
damit dich der Gegner nicht dem Richter überantworte
und der Richter dem Gerichtsdiener
und du ins Gefängnis geworfen werdest.
26 Wahrlich, ich sage dir:
Du wirst nicht von dort herauskommen,
bis du auch den letzten Pfennig bezahlt hast.
Das Bild hinter diesen Worten ist der Gang zweier Prozessgegner zum Gericht im Tor. Sie werden wohl gemeinsam zur nächsten Stadt gehen, um ihre Rechtssache zu regeln. Ist das Verfahren erst einmal eröffnet, gibt es kein Zurück mehr, und die Prozessteilnehmer müssen das Urteil akzeptieren. Hier kann es durchaus auch sein, dass es einen Gerichtsirrtum gibt. Auf jeden Fall ist die Zeit vorbei, in der ich noch etwas gegen den Prozess tun kann. Am Besten, so sagt Jesus – und das dürfte auch allgemein in der damaligen Zeit gegolten haben – ihr einigt euch unterwegs, bevor ihr das Gericht anruft.
Die Strafe für veruntreutes Gut ist – wie gesagt – die Rückerstattung des Wertes plus 20 % des Wertes. Wer das nicht leisten kann, kommt in die Schuldknechtschaft. D.h. er muss sich und seine Familie in die hebräische Sklaverei verkaufen. Der Sklave verpflichtet sich einem Herrn, und dieser bezahlt für ihn die Strafe. Dafür muss der Sklave so lange arbeiten, bis er mit Zins und Zinseszins die Summe, die der Schuldige von Gerichts wegen zu zahlen hat, abgearbeitet hat, und dann kommt er und seine Familie wieder frei.
Aber das Bild Jesu geht über das irdische Gericht hinaus. Wir sehen hier auch zwei Brüder, zwei Christen, die gemeinsam auf dem Weg sind, bis sie sterben. Nach dem Tod ist vor dem Gericht, und wir müssen alle vor dem Richterstuhl Christi erscheinen. Dann wird uns das Urteil gesprochen. Im irdischen Fall gibt es eine begrenzte Haft, „bis der letzte Cent bezahlt ist“, im himmlischen Fall gibt es wohl nur das ewige Feuer.
Wir wissen aus der Bibel, welche Macht das Wort hat. Wir lesen darüber von der Schöpfungsgeschichte, in der Gott mit zehn Worten die Welt erschaffen hat, die Auszugsgeschichte, in der Gott mit zehn Worten, den zehn Geboten, die Grundlagen für ein heiliges Gemeinwesen gelegt hat, bis zur Offenbarung, in der Christus als Richter auftritt, aus dessen Mund ein zweischneidiges Schwert geht, mit dem er die Feinde links und rechts richten wird. Durch das Wort seines Mundes. So kann es uns nicht verwundern, wenn Jesus hier sagt, dass auch Worte töten können. Wie verletzend ein Wort sein kann, haben wir alle schon am eigenen Leib erlebt. Deshalb nennt Christus als ein Verbrechen wie Mord, wenn wir unserem Bruder das Urteilsvermögen über geistliche und auch so manche weltliche Dinge absprechen oder ihn sogar als Ungläubigen bezeichnen. Ein Wort kann einem schnell herausrutschen. Das ist mir auch schon passiert, und ich war auch schon davon betroffen. Was aber gravierend ist, das ist die Konservierung einer solchen Meinung, eigentlich die Konservierung von Hass und Verachtung, von Bitterkeit und Wut in meinem Herzen, von einer mangelnden Bereitschaft, zu vergeben, etwas „gegen meinen Bruder zu haben“, das ihn in meinen Augen an mir schuldig macht. Jesus sagt mir für einen solchen Fall: Wenn dein Bruder an dir sündigt, so vergib ihm. Wenn du den Eindruck hast, dass er etwas gegen dich hat, dass er den Eindruck hat, da steht Schuld zwischen euch, dann lasse alles stehen und liegen, gehe hin und versöhne dich mit deinem Bruder. Ein Verhältnis zu den Brüdern und Schwestern deiner Gemeinde, das auf der Grundlage von Liebe und Frieden besteht, ist die Grundlage für eine Gemeinde, in der Jesus den Menschen sichtbar ist, für eine Gemeinde, die ein Licht ist in der Dunkelheit unserer Zeit. Wenn wir dagegen zulassen, dass unbereinigte Schuld in unserer Gemeinde ist, dann verdunkeln wir dieses Licht, dann dämpfen wir den Geist, und wir werden zum abschreckenden Beispiel für unsere Umgebung. Wenn dir in den Sinn kommt, dass dein Bruder etwas gegen dich habe, dann gehe noch heute hin und versöhne dich mit deinem Bruder, dass dein Gottesdienst nicht vergeblich sei. Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben; wer nicht liebt, der bleibt im Tod. Dieses Gebot haben wir von Gott, dass, wer Gott liebt, auch seinen Bruder lieben soll. Denn Gott ist die Liebe. Amen.
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