El Shaddai - der allmächtige Gott, der Mensch geworden ist

Im Namen Gottes - Advent 2022  •  Sermon  •  Submitted
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El Shaddai - Der Allmächtige (Pantokrator), und doch sich selbst entäusserte Gott

Notes
Transcript

Einleitung

Macht, wie sie die Welt versteht

In der Offiziersschule der HA wurden wir mal gefragt, an welchen Anfechtungen oder Verführungen die meisten der gestolperten Pastoren gescheitert sind. Es kam dabei auf eine Dreierformel - nein, nicht Sex, Drugs & Rock’n’Roll, aber fast. Sex, Macht und Geld.
Vor nicht allzulanger Zeit stolperte ein Hillsong-Pastor aus NY an ersterem. Ein anderer amerik. “Pastor” wollte in Europa noch mehr verdienen, benutzte die Bibel zur Verführung der Gläubigen, log sie an, nahm aber gerne ihre Spenden entgegen, bis er in Basel dieses Betrugs an der Gemeinde überführt wurde und mit wehenden Fahnen zurück nach Amerika floh.
Ein jeder hat dabei seine eigene Schwäche. Ich persönlich denke aber, dass “Macht” noch die viel stärkere Verführung beinhaltet, als die anderen zwei. Wenn du erst einmal erlebt hast, zu was dein Dienst führen kann, anfänglich zu Einfluss bei den Menschen, später dann zu Macht über sie, kann die Versuchung sehr gross werden.
Macht, und im Griechischen die ganze Wortgruppe dazu (κρατεω, ‘krateo’), also Kraft, kräftig sein, kräftig machen, mächtig sein, etc. ist heute negativ besetzt, zumindest bei denen, die keine besitzen. Es gibt die Macht der Worte, Macht des Geldes, des Staates, der Kirche, Macht des Proletariats, der Schule, der Banken. Bilderberg, Hochfinanz, globale Konzerne. Persönlich erlebt man sie als Macht der Gewohnheit, des Schicksals, oder, biblisch gesprochen, als Mächte und Gewalten, die das eigene Leben bedrohen.
“Macht” wird so weniger mit Autorität als eher mit Willkür und Gewalt in Zusammenhang gebracht. Und doch wacht denn jeder, der ein bisschen “Macht” hat, eifersüchtig darüber und lässt sich nicht gern in Frage stellen. Das bedeutet, Macht ist relativ. Je nachdem, ob man Macht ausgesetzt ist, oder sie ausübt, hat man eine negativere oder positivere Sicht auf sie. Aber immer ist ihr eine Spur von Gewalt beigemischt, und das macht “Macht” abschreckend.
Aber gerade weil viele Menschen schlechte Erfahrungen mit Machtausübung gemacht haben, auch auf ihre Kosten, wird oft vergessen, dass Macht etwas mit machen zu tun hat. Der Macher nutzt sie, um Dinge zu bewegen, auch zum Wohl anderer (manchmal aber auch über Leichen). Wenn wir aber in frühere Zivilisationen schauen, erkennen wir, dass das Bedürfnis, sich selbst und seine Art zu erhalten, dazu führte, dass der Stärkere innerhalb einer Sippe sich auch um den Schutz derselben mühte. Macht hat also auch etwas mit Schutz zu tun - ist sie nicht durch die Sünde pervertiert (Schutzmacht).
Wie hat hier nun, angesichts der schlechten, weltlichen Erfahrungen, der ‘allmächtige Gott’ Platz? Wie empfinden wir diese Beschreibung des Gottes der Bibel? Wie gehen wir damit um, in unserem Glaubensleben, unserer Lebensgestaltung, in Gesprächen?

Überleitung - Worterklärung “El Shaddai”

Es gab da mal diese Werbung für eine Yacht.
Tjaja. Der Designer liess sich bei seinem Entwurf von den Pyramiden, vom Turmbau zu Babel (sic!) und modernen Wolkenkratzern inspirieren. Sein Plan war es, “den Besitzer an einen Punkt extremen Machgeführls zu führen”. So die Werbung dazu. Auffällig ist dabei auch die Namensgebung.
Shaddai - El shaddai. Diesen Begriff, oder besser Titel Gottes, kennen wir. Was hat dieser Name mit der Yacht und dem Thema Macht zu tun?
Als diese 70 jüdischen Gelehrten vor langer Zeit in Alexandria aufgrund der Zerstreuung vieler Juden die Torah ins Griechische übersetzten, also die Septuaginta erstellten, übersetzten sie diesen Namen Gottes in den griechischen Begriff παντοκρατωρ ῎pantokrator - der Allmächtige/Allstarke. Daher ist es auch in unseren Bibeln so, dass wo im Urtext (El) Shaddai steht, auf Deutsch ‘Gott der Allmächtige’ bzw. ‘der allmächtige Gott’ formuliert ist.
Eine kleine Auswahl:
Gen 17,1 “Als nun Abram neunundneunzig Jahre alt war, erschien ihm der Herr und sprach zu ihm: Ich bin der allmächtige Gott; wandle vor mir und sei fromm.”
Gen 28,3 “Und der allmächtige Gott segne dich und mache dich fruchtbar und mehre dich, dass du werdest ein Haufe von Völkern,” (Segen Isaaks an Jakob)
Gen 35,11 “Und Gott sprach zu ihm: Ich bin der allmächtige Gott; sei fruchtbar und mehre dich! Ein Volk und eine Menge von Völkern sollen von dir kommen, und Könige sollen von dir abstammen,” (Gott zu Jakob)
Gen 49,25 “Von deines Vaters Gott werde dir geholfen, und von dem Allmächtigen seist du gesegnet mit Segen oben vom Himmel herab, mit Segen von der Flut, die drunten liegt, mit Segen der Brüste und des Mutterleibes.” (Jakobs Segen an Josef)
Hiob 5,17 “Siehe, selig ist der Mensch, den Gott zurechtweist; darum widersetze dich der Zucht des Allmächtigen nicht.”
Hiob 6,4 “Denn die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir; mein Geist muss ihr Gift trinken, und die Schrecknisse Gottes sind auf mich gerichtet.”
Ps 91,1 “Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt,”
Hes 10,5 “Und man hörte die Flügel der Cherubim rauschen bis in den äußeren Vorhof wie die Stimme des allmächtigen Gottes, wenn er redet.”
Jes 13,6 “Heulet, denn des Herrn Tag ist nahe; er kommt wie eine Verwüstung vom Allmächtigen.”
Joel 1,15 “O weh des Tages! Denn der Tag des Herrn ist nahe und kommt wie ein Verderben vom Allmächtigen.”
Wir erkennen zwei Dinge: Bei den Patriarchen war Gott unter diesem Namen bekannt (Ex 6,2-3 “Und Gott redete mit Mose und sprach zu ihm: Ich bin der Herr und bin erschienen Abraham, Isaak und Jakob als der allmächtige Gott, aber mit meinem Namen »Herr« habe ich mich ihnen nicht offenbart.” ) Dabei ging es hauptsächlich um den Schutz und Segen dieses allmächtigen Gottes. Bei Hiob und in der Königszeit gewinnt diese Seite des allmächtigen, heiligen Gottes trotz anderem Namen an Bedeutung.
Desweiteren sehen wir, die Bibel beschreibt Macht ähnlich wie Reichtum: Es sind beide nicht grundsätzlich schlecht, im Gegenteil, sie werden auch als Segen gesehen (Reichtum des Salomo, die Salbung des Königs). Die Frage lautet also nicht, ob jemand reich/mächtig ist, sondern wie er mit Macht und Reichtum umgeht. Den Willen Gottes zu dieser Frage finden wir sowohl im AT wie auch im NT.
Und was passierte dann im NT?

Der allmächtige, menschgewordene Gott

Es wurde die erste Weihnacht.
Christus, der Gottessohn, kam in diese unvollkommene, verwirrte, gefallene Welt, zu den verlorenen, sündigen, sterblichen Menschen. Er, der schon war, als die Welt geschaffen wurde, im Himmel wohnte und alle Ehre und Herrlichkeit besass, begab sich in einen Futtertrog, in Menschenhände und lieferte sich ihnen aus. Paulus formulierte dies so: Phil 2,6-8 “Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.”
Was tat er? Er, der Gott gleich war, alle Macht und Herrlichkeit hatte, über alles herrschte und mit dieser kranken, schmutzigen Welt nicht in Berührung kommen musste - er war ja Gott gleich - er verzichtete auf diese Macht und Herrlichkeit und wurde Mensch. (Halleluja!)
Dieser Machtverzicht Jesu, der bis zum Kreuz ging, dient uns als Vorbild für unseren persönlichen Umgang mit Macht. Paulus ordnet in diesem Sinne den Umgang miteinander, von Starken und Schwachen, im Leib Christi. Da, wo sich die Kraft des Stärkeren erweist, indem er auf die Schwächeren Rücksicht nimmt, widerspricht das Evangelium den weltlichen Standards. Ja, es führt sogar zu paradoxen Formulieren wie 2Kor 12,9-10 “Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.”
Dieser Machtverzicht ist Stärke. Das mag uns seltsam und absurd vorkommen, aber im Angesicht des Gottessohnes ist genau das der gerechte Umgang mit Macht.
Wie das Evangelium mit Macht umgeht, ist nicht einfach nur befreiend, so quasi “seht her ihr Mächtigen, Gott ist mächtiger!” Es geht nicht auch nur um unser Verhältnis zu Gott, wie wir ihn sehen und mit ihm umgehen. Es hat ebenso gesellschaftsverändernde und politische Konsequenzen. Wenn wir als Christen den weltlichen Umgang mit Macht anprangern wollen, dürfen wir gleichzeitig nicht wie die Welt handeln. Gewaltlosigkeit im Widerstand gegen Mächte und Gewalten dieser Welt, gegen Machtmissbrauch und Gewalt von Stärkeren gründet tief im biblischen Glauben an Christus und dem Vorbild Gottes (siehe Luther-King oder der spätere Mandela). Das ist Nachfolge in tiefstem Sinn: Lk 9,23 “Da sprach er zu ihnen allen: Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich (das Kreuz: Machtverzicht, schwach werden) und folge mir nach.”
Tersteegen dichtete 1750 “Ich bete an die Macht der Liebe”, Bonhoeffer schrieb in seinem letzten Weihnachtsbrief “von guten Mächten wunderbar geborgen”. Die Welt versteht das nicht. Aber genau in diesem Verwurzeltsein in der Macht Gottes, liegt unsere grosse Stärke, dass wir eben nicht stark sein müssen und mächtig, sondern dass da einer ist, der Macht über alles hat. Da ist einer, dem wir uns anbefehlen können, der uns Schutz gewährt, und so unsere Seelen unversehrt bewahrt. 1Thess 5,23-24 “Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch ruft; er wird’s auch tun.”
Wir haben heute den 1. Advent. Auf Weihnachten hin erinnern wir uns an die Gnade Gottes, aber auch, dass er sich entäusserte, um uns die Gnade zuteil werden zu lassen. Der allmächtige Gott, der sich schwach machte, um die Menschen zu retten, ist ein gutes Bild, das uns in den Gesprächen mit ungläubigen Menschen begleiten darf. Gerade weil in der Welt dieser Begriff einen schlechten Ruf hat, kann daran sehr gut angeknüpft und Gott und sein Erlösungswerk erklärt werden.
Zudem erinnert die Adventszeit, dass wir wiederum auf die Ankunft unseres Herrn warten, um durch seine Macht zur Vollendung geführt zu werden. Bis dahin bewahrt uns der allmächtige Gott, damit wir das Ziel erreichen können.
Ich wünsche Euch allen eine frohe, machtvolle Adventszeit. Amen

Anmerkungen

Die Herkunft des Wortes ‘shaddai’ ist unbekannt. In grossen Teilen der Forschung wird aber die Verbindung zu dem akkadischen Wort für ‘Berg’ - šadû - akzeptiert.
κοσμοκρατωρ - kosmokrator, Eph 6,12 im Plural: die Weltherrscher, die bösen Geister
Fragen zur Selbstreflektion: Habe ich selber schon nach Macht gestrebt? Warum? Wofür? Wie reagiere ich auf Angriffe auf meine Person? Lasse ich mich auf Gottes Macht ein, oder vertraue ich noch immer auf meine Stärke?
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